Eine Kolumne für... die Kälte

Hoch „Cooper“ hat uns seit Tagen in seine eiskalten Arme genommen. Und er gibt uns einfach nicht wieder frei. Umklammert uns mit seinen sibirischen Temperaturen und lässt uns den Schmodder in der Nase gefrieren. Aber er, der Cooper, ermöglicht auch die spontane Kommunikation wildfremder Menschen untereinander während des gemeinschaftlichen Wartens auf verspätete ICE's, Busse und Straßenbahnen: „Ganz schön kalt heute, was?“ - „Hm, ganz schön kalt heute!“ So lernt man Leute kennen und es geht viel einfacher als auf Facebook.
Im Gegensatz zu Facebook will an der Haltestelle niemand von mir wissen, wie ich heiße, wie alt ich bin oder ob ich an Männern und/oder Frauen interessiert bin. An der Haltestelle werde ich auch nicht mit Anfragen genervt, ob ich dieses Spiel oder jenen Kalender benutzen und alle meine Userdaten den Illuminaten, meinem Chef oder dem israelischen Geheimdienst zur Verfügung stellen möchte. An der Haltestelle bin ich einfach nur ein frierender Mensch unter Gleichen, hoffend auf baldigst steigende Temperaturen und hätte Cooper eine Facebook-Seite, müsste ich überlegen, ob ich ihn liken oder disliken würde.
Derweil hat sich meine Katze seit Tagen in der Heizung verbissen. Nur zur Nahrungsaufnahme und zur Verrichtung der Notdurft verlässt sie ihr warmes Plätzchen. Verdöst die vermutlich kälteste Woche des Jahres, während ich immer mehr glaube, dass

Während ich dies im wohlig beheizten Büro schreibe, erklimmen Jenas Weinbauern die Hänge, um die Reben für den Eiswein einzusammeln, während sich die freundlichen Zeitschriften- und Tierschutzwerber sowie Menschenrechtskämpfer am Holzmarkt den – sorry – Arsch abfrieren. Keiner hat bei diesen Minusgraden Bock, ein Schriftstück gegen die Robbenjagd, für Wulffs Zwangsräumung aus dem Schloss Bellevue oder gegen dieses elendig verpfuschte GalaxSea-Dach zu unterschreiben. Alle, die aktuell durch die Kälte hasten, wollen das Gleiche - ins Warme. Irgendwo behaglich zwei Hände um ein heißes Glas Tee legen, den auftauenden Naseninhalt – Achtung: Aggregatszustandsänderung! - in einem kuschelig weichen Zellstofftaschentuch ablegen und mit verträumtem Blick von Früher schwärmen: Früher, ha! Da hatten wir noch richtige Winter! Und immer unter achtzig Grad! Da lag der Schnee soooo hoch (sich selber an die Schulter tippend) von Anfang November bis Mitte März und manchmal noch zu Ostern! Ja, das waren noch Winter früher! Da hatten wir noch keine Heizung mit Automatik und so. Alles mussten wir selber machen und für das Beräumen der Fußwege vor unseren Häusern brauchten wir auch keine Facility Manager.
Derart gestärkt stürmen wir etwas später erneut durch die Kälte, schimpfen auf Cooper, schimpfen auf Merkel, Westerwelle und die Griechen und werden uns im Sommer hoffentlich freuen, so glimpflich davongekommen zu sein...
Text: Hartfried Ackermann
Foto: ©wrw, pixelio.de