Eine Kolumne für... Steven Uhly und das ZDF

Ich lebe seit elf Jahren hier und fühlte mich bislang zwischen Kernbergen und Saale, zwischen Hanfried und Titty Twister, zwischen Bratwurst und Mutzbraten recht wohl. Doch seit das ZDF-Team mitsamt des mir bis dahin gänzlich unbekannten Mega-Super-Duper-Erfolgsautoren Steven Uhly für einen „aspekte“-Beitrag in Jena weilte, steckt in mir diese latente Angst.
Nun ist es also offiziell: Nichts als Nazis hier! Ich fasse es nicht. Überall, hinter jedem Baum, am Hanfried, am Steinkreuz, überall lauern braune Gestalten auf Migranten, lauern auf den rechten Moment, warten darauf, die Weltherrschaft in Jena an sich zu reißen. Und während sie warten, leben sie total angepasst als Studenten, Hausfrauen, Wissenschaftler, Konzernchefs und Dönerladenbesitzer. Und damit sie auch wirklich nicht auffallen, demonstrierten sie jahrelang gegen das Nazifest der Völker, bis die Nazis die Schnauze voll hatten und um Jena lieber einen großen Bogen machten. Keine Ahnung, weshalb ich das bisher übersehen habe.
Nun aber ist die Tarnung aufgeflogen. Gnadenlos hat Uhly, den ich spontan zum neuen 007-Darsteller machen würde, innerhalb weniger Minuten den Schwindel erkannt und Jena auf sympathische Art zur Brutstätte des Bösen erklärt. Er brauchte nur einmal in die Runde zu schauen, anschließend den Zeigefinger zu heben und dann war es aus mit der Tarnung. Ha ha, Du ach so weltoffenes Jena, mit Deinen Quoten-Ausländern an der Uni, Deinen mehrsprachigen Hinweisschildern in der Touristen-Information, Deinen getürkten China-Restaurants und Asia-Bistros, Deiner unerträglichen Toleranz gegenüber Wohnungsnot und Spaßbadschließung – die ganze Stadt ist aufgeflogen und Steven Uhly ist ein Held!
Nein, Uhly war nie zuvor im Osten, denn er wusste ganz genau, was hier läuft. Aber Uhly tat, was ein anständiger Bürger in Zeiten wie diesen tun muss. Und ja, er hatte Angst. Ja, die Knie zitterten ihm, als er den behaglichen ICE aus München kommend verließ und tapfer seine zarten Füße auf Jenaer Boden setzte. Er trotzte der Gefahr und warf sich tapfer in die naziverseuchte Menge, aß unerschrocken zur Mittagszeit einen Döner im Zentrum der Angstzone und gönnte sich nur dann ein Antidepressiva, als die Kamera aus war.

Während nun der Rest Deutschlands aufatmet und dem Enthüllungsautor Steven Uhly ein Denkmal setzen wird dort, wo bezeichnenderweise bislang ein Deutschnationaler namens Hanfried provozierend gen Bismarckbrunnen blickt, gebührt dem ZDF zweifelsohne für diese aufklärerische Glanztat der Friedensnobelpreis. Mindestens.
Ich aber gehe hart mit mir ins Gericht. Kann es sein, dass ich total versagt habe? Warum habe ich in all den Jahren nicht gesehen, was so offensichtlich ist, dass es ein Zugereister, noch dazu jemand aus München, in Köln geboren und mit bengalischen Wurzeln, innerhalb weniger Stunden sofort erkennt? Ich beginne zu ahnen: Uhly musste es schon immer gewusst haben, Uhly, der Seher, der Bücher schreibt, der sogar jemanden beim ZDF zu kennen scheint, der ihm netterweise behilflich war, seinen neuen und unglaublich nah an der Wirklichkeit angesiedelten Roman ins Fernsehen zu bringen.
Mir wird mulmig. Habe ich die Zeichen etwa deshalb nicht gesehen, weil in mir, ganz tief in mir, selbst ein Nazi steckt? So ein klitzekleines bisschen? Einer, der - die Baseball-Keule im Anschlag - nur darauf wartet, dass ein Halbbengale mitsamt einem ZDF-Kamerateam am Paradiesbahnhof aus dem ICE purzelt? Und dann mit Anlauf in die Fresse?
Ich schaue in den Spiegel. Versuche, mir in die Augen zu sehen. Es misslingt. Aha, denke ich, Du altes Nazischwein, jetzt bist Du aber schön am Arsch. Und dank Uhly nun auch die anderen 100.000 braunen Pappnasen, die hier in Jena wohnen. Alle mal so richtig schön aufgeflogen!
Um den ZDF nie wieder vor die Kamera laufen zu müssen, fasse ich einen Entschluss. Ich also - ich Scheusal! - ziehe die Konsequenzen aus meinem schlimmen Nazitreiben und bitte den Bundespräsidenten um Ausbürgerung, um in Bengalen ein neues Leben zu beginnen.
Text: Hartfried Ackermann
Foto: Nicht vom ZDF